Beim Wasserstoffhochlauf gelte es jetzt, die relevanten Hebel in Bewegung zu setzen, um nachhaltig die Nachfrage zu stimulieren – Dies hat der Wasserstoff-Beirat Baden-Württemberg als eine der Prioritäten gegenüber der Bundespolitik formuliert. Das Expertengremium des Landes traf sich heute in Berlin zum parlamentarischen Frühstück, um Empfehlungen auszusprechen, wie die Dynamik beim Wasserstoff-Hochlauf zurückgewonnen werden kann.
Unter Anwesenheit von Thekla Walker, Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg zeichnete das 23-köpfige Expertengremium einen chancenorientierten Ansatz, der H2-Versorgungsfragen genauso in den Blick nahm wie den Infrastrukturaufbau und die Technologiepolitik. Baden-Württemberg sei starker Technologie- und Industriestandort und zeige mit zahlreichen Projekten, Initiativen und Unternehmen, wie eine Wasserstoffwirtschaft in der Praxis funktionieren kann, so die Einschätzung der Beiratsmitglieder. Dennoch würden die aus der Binnenlage des Bundeslands resultierenden Anforderungen und seine über die Fläche verteilte, meist mittelständische Wirtschaft beispielsweise bei Fragen der Kern- und Verteilnetzausgestaltung oder regulatorischen Anforderungen nicht ausreichend beachtet. Um Anschluss an globale Marktentwicklungen und Technologietrends nicht zu verpassen und die Potenziale im Bundesland auszuschöpfen, sieht das Expertengremium vor allem drei wesentliche Handlungsfelder.
Die mittelständisch geprägte Wirtschaft in Baden-Württemberg sei auf Unterstützung der Politik angewiesen, damit eine zukunftsfeste Wasserstoffwirtschaft entstehen könne. Das heißt, Klimaschutzverträge und andere Anreize sollten auch für mittelständische Unternehmen attraktiv und ausreichend ausgestattet sein. Zudem müssten insbesondere regionale Wasserstoff-Hubs ermöglicht werden. Baden-Württemberg bietet mit seiner dezentralen Wirtschaftsstruktur ideale Voraussetzungen für lokale H2-Produktion und innovative Anwendungen, insbesondere im Schwerlastverkehr.
Weitere Maßnahmen seien die schnelle Umsetzung des Kraftwerkssicherheitsgesetzes (KWSiG) sowie eine Anpassung der Regularien der Europäischen Union (EU), um Investitionen und Innovationen zu ermöglichen. Übergeordnetes Ziel sei es, eine verlässliche Nachfrage nach grünem Wasserstoff zu stimulieren.
Das Wasserstoffkernnetz bildet den Grundstein für den Hochlauf des H2-Marktes. Mit dem Bau der Süddeutschen Erdgasleitung (SEL) und insgesamt drei neuen H2-ready-Gaskraftwerken geht das Land bereits bei der Sicherung einer künftigen Wasserstoffversorgung voran. Allerdings sollten auch hier seitens der Politik faire Investitionsbedingungen geschaffen werden. Es bedarf Planungssicherheit und attraktive Rahmenbedingungen für den Ausbau von Verteilnetzen und ergänzender Infrastruktur wie H2-Tankstellen. Auch der Import und Transport von Wasserstoffderivaten sollte in diesem Zuge mitgedacht werden.
Der Wasserstoff-Beirat sieht Baden-Württemberg als Schlüsselstandort für Brennstoffzellen, Elektrolyseure und Komponenten – diese Stärke müsse durch gezielte Förderung und Demonstrationsprojekte gesichert werden. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund internationaler Wettbewerber für baden-württembergische und europäische Technologiehersteller. Trotz des vorhandenen Know-Hows lasse sich die industrielle Skalierung derzeit primär außerhalb Europas beobachten. Wasserstofftechnologien können ein strategisches Zukunftsfeld für Wertschöpfung und Beschäftigung sein. Folglich sei es wichtig, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, um Wertschöpfung und Arbeitsplätze im Land zu halten. Es brauche jetzt eine klare politische und wirtschaftliche Strategie. Deutschland und Europa müssten Wasserstofftechnologien als industriepolitische Zukunftsfrage begreifen.
